- Herzog, Roman: Bundespräsident 1994-99
- Herzog, Roman: Bundespräsident 1994-99Am Pfingstmontag, dem 23. Mai 1994, trat im Plenarsaal des Berliner Reichstags die Bundesversammlung zur Wahl des ersten Bundespräsidenten des wieder vereinigten Deutschland zusammen. Im 3. Wahlgang siegte der CDU/CSU-Kandidat Roman Herzog mit 696 Stimmen über Johannes Rau, den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, der 605 Stimmen der 1 320 Delegierten für sich verbuchen konnte. Die beiden anderen Kandidaten - Jens Reich, von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt, und Hildegard Hamm-Brücher (FDP) - hatten nach dem ersten bzw. zweiten Wahlgang auf eine weitere Teilnahme verzichtet. Die Kandidatur Roman Herzogs hatte die Diskussion um die Bewerbung des sächsischen Justizministers Steffen Heitmann beendet, der anfangs von der CDU vorgeschlagen worden war, aber wegen einiger seiner Äußerungen sowohl in der CDU als auch in der Öffentlichkeit umstritten war. Roman Herzog wurde am 5. April 1934 in Landshut, in Bayern, geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er Rechtswissenschaften in München, wo er 1958 - im Jahr seiner Heirat mit Christiane Krauß - promoviert wurde. Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung, seiner Habilitation und zwei Jahren als Privatdozent erhielt er mit 32 Jahren seine erste Professur für Staatsrecht und Politik an der Freien Universität Berlin. 1969 folgte er einem Ruf an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Roman Herzog, der seit 1966 Mitherausgeber des Evangelischen Staatslexikons und über lange Jahre Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war, engagierte sich auch im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU und wurde 1978 zum Bundesvorsitzenden dieses Arbeitskreises gewählt. 1973 verlagerte er sein Wirkungsfeld in die Politik: Er wurde Staatssekretär des damaligen Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl. 1978 wechselte Herzog als Kultusminister nach Baden-Württemberg und zog 1980 in den Stuttgarter Landtag ein; bei der Regierungsbildung übernahm er das Innenressort. 1983 wurde Roman Herzog zum Vizepräsidenten und vier Jahre später zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Dieses Amt übte er bis zum 30. Juni 1994 aus. In seiner Antrittsrede am 1. Juli 1994 versprach Roman Herzog die Fortsetzung der Politik seines Vorgängers Richard von Weizsäcker. In seinem persönlichen, offenen und unprätentiösen Stil erteilte Herzog jedem deutschen Sonderweg in Europa und in der Welt eine klare Absage. Ebenso entschieden war seine ablehnende Haltung all jenen gegenüber, die die deutsche Schuld an den nationalsozialistischen Verbrechen relativieren wollen. Als »ein Präsident ohne Pose«, wie die Medien ihn anerkennend bezeichneten, versteht er es, auch in schwierigen Situationen die richtigen Worte zu finden, so bei seinen ersten und schwersten Staatsbesuchen in Polen und Israel. In Warschau, eingeladen vom polnischen Staatspräsidenten Lech Wałęsa zum 50. Jahrestag des Warschauer Aufstandes, beendete er seine Ansprache mit den Worten: »Heute aber verneige ich mich vor den Kämpfern des Warschauer Aufstandes wie vor allen polnischen Opfern des Krieges. Ich bitte um Vergebung für das, was ihnen von Deutschen angetan worden ist.« Diese Worte haben in Polen, aber nicht nur dort, einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Universal-Lexikon. 2012.